Mastan Berlin Ungefilterte südfranzösische Bistroküche

Die Lage an der Kreuzberger Gneisenaustraße hat den vorherigen Betreibern - erst dem Mutti, dann dem Hinterland - kein Glück gebracht. Mit dem im April eröffneten Restaurant Mastan hat der ehemalige Alain Ducasse-Küchenchef offenbar das richtige Händchen gehabt: Seine  südfranzösische Bistroküche trifft den Nerv der Zeit und holt das gebildete Publikum des Kiezes genau da ab, wo die Sehnsucht nach authentischer französischer Landküche in den Herzen schlummert. Kaum ein Tisch, an dem nicht auf Französisch bestellt wird, und vor allem: kein freier Platz im ganzen Lokal, und das an einem Mittwoch Abend nach nur drei Monaten Öffnungszeit.

Die Liebe beruht auf Gegenseitigkeit: Besitzer und Küchenchef Yann Mastantuono mag Berlin, die Offenheit der Menschen und ein deutlich entspannteres Leben, als gleichzeitig die Ducasse-Restaurants „Aux Lyonnais“ und „Adjugé“ zu leiten und schon mal 100 Stunden die Woche zu arbeiten. Seine Lebenspartnerin Dorothée Louise Recker trägt diese Sympathie als Deutsch-Französin quasi qua Geburt in sich. Als Künstlerin konnte er sie für die Gestaltung der Innenräume gewinnen, die mit weißen Tischdecken, wertigen Holzstühlen und punktuell eingesetzten Kunstwerken die klassische Atmosphäre eines Pariser Bistros widerspiegeln.

Foto: © Florian Kroll

Bistro ist das Stichwort, denn wer im Mastan filigrane Teller und elaborierte Saucen erwartet, wird überrascht sein. Man muss wissen, dass Alain Ducasse neben seiner Sterne- vor allem für seine Bistro-Küche berühmt ist. Und mit der wuchs der aus Marseille stammende Yann Mastantuono nicht nur auf, sondern konnte sie bei seinem berühmten Chef auch perfektionieren. Sie ist produktorientiert, vor allem von Fisch, Fleisch und kräftigen Aromen geprägt. Deshalb hatten wir beim ersten Besuch die Befürchtung, dass das Berliner Publikum von genau dieser Geschmacksintensität abgeschreckt sein könnte. Aber weit gefehlt - neben veganen Bowls und radikal regionalem Clean Eating sehnen sich viele offenbar nach Opulenz, Deftigkeit und gut gewürzten Speisen. Vor allem, wenn Produktqualität und Handwerk so stimmen wie bei Yann Mastantuono.

Abendbrot an der Bar

Zum Auftakt bestellen wir Schinken vom baskischen Metzger Louis Ospital. Der begeistert uns so, dass meine Begleitung sogar ausnahmsweise vom Fleischverzicht ablässt und sichtlich genießt. Der Schinken ist übrigens eine der wenigen Konstanten auf der Karte, ansonsten wechselt die Karte im Monatsrhythmus. Zusammen mit einem Ziegenkäse-Pimenton de la Vera-Baguette, einer Ibaima-Salami und einer Hähnchenterrine reicht das zu einem Glas Wein an der Bar glatt zum Abendbrot: Die vor allem auf biodynamischen und natürlichen Weinen basierte Karte glänzt nämlich mit spannenden, handverlesen Positionen.

Nach dem in einem französischen Restaurant obligatorischen Glas Champagner empfiehlt uns Sommelière Sarah die Naturwein-Cuvée  A la vie, dem Einstiegswein von Patrick Meyer, der zu gleichen Teilen aus Pinot Blanc und Sylvaner besteht. Er bringt eine schöne Frische und leichte Säure mit zur vegetarischen Velouté mit geeistem Sellerie, Granny Smith-Öl und vor allem ganz viel Sahne. Ein wirklich gutes Zeichen ist, dass der fast schon obligatorische Griff meiner Freundin zum Salz hier und bei allen folgenden Gerichten entfällt. Richtiges Salzen ist so banal wie essentiell und eine Kunst, die Yann Mastantuono meisterlich beherrscht.

Bei den Hauptgerichten überzeugt die geschmorte Rinderbacke mit Taggiasca-Oliven und einem geschmorten Salatherz. Die gebratene Polenta löst normalerweise außer bei Norditaliener:innen keine besonderen Begeisterungsstürme aus, passt aber gut zum kräftigen Rinderjus, der Salat zum Sommer.

Der Oktopus mit gebratener Coppa versinkt hingegen ein wenig auf seinem Bett aus Weiße Bohnen-Püree, das laut Yann Mastantuono allerdings ganz typisch für die Marseillaiser Küche ist. Mit dem spannenden weißen Terrasses Château Perquié, einer Cuvée aus Viognier, Roussanne, Clairette und Grenache, beweist Sarah erneut eine glückliche Hand, denn die Fruchtigkeit und Frische der Zitrusnoten federn etwas von der Üppigkeit dieses Tellers ab.

Wir beschließen das Menü mit herrlichen Iles flottantes. Während die göttlich-fluffigen Eischnee-Inseln auf Vanillecreme in Frankreich zu den Klassikern zählen, sind sie in Deutschland leider eher selten auf Dessertkarten zu finden. Zu meiner zweiten Überraschung an diesem Abend bestellt meine normalerweise nach wenigen Bissen übersättigte Begleitung das französische Käse-Sortiment. Es kommt von „Les Epicuriens“ aus der nahen Marheinekemarkthalle und ist mit 10 Euro so fair kalkuliert, dass die Marge gen Null tendieren müsste. „Der Preis ist das letzte, was mich bei einem Produkt interessiert“ sagt Yann Mastantuono. Für ihn zählt der Geschmack, genau wie beim hervorragenden Kaffee, den er von seinem Nachbarn, dem Café Museum bekommt. Die Berliner:innen danken es mit einem immer vollen Lokal.

Restaurant Mastan, Gneisenaustraße 67, 10961 Berlin.

Foto: Martina Conradt

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