Tim Raue Restaurant-Tester Raue, der Restaurantretter

Von Jonas-Erik Schmidt

Wenn Tim Raue irgendwo aufschlägt, dann ist alles möglich. Es kann sein, dass er für den mächtigsten Mann der Welt kocht (2013, Barack Obama) - aber auch, dass er einen verzweifelten Mann namens Jörg irgendwo im tiefen Osten von Köln von Fleischklöpsen zu überzeugen versucht. Zu sehen in der neuen Staffel seines RTL-Formats «Raue - Der Restaurantretter» ab 16. Juli jeweils dienstags um 20.15 Uhr auf RTL.

«Das ist für mich hier eine Frikadellen-Nummer par excellence!», stellt der Starkoch nach einer kritischen Erstbegehung von Jörgs angeschlagenem Restaurant in Köln-Holweide fest. Er wünscht sich Anpassungen auf der Speisekarte. Doch der Inhaber weigert sich beharrlich, die schmackhaften Fleischklumpen ins Programm zu nehmen. «Auch der Tim kriegt mich nicht dazu, hier Frikadellen zu verkaufen!», sagt Jörg. «Im Leben nicht.» Zankapfel: Bulette.

Der «Restauranttester» ist nun der «Restaurantretter»

Tim Raue, Berliner Küchen-Großmeister, hat es nicht leicht. Das Format, in dem früher Christian Rach als «Restauranttester» durch die Republik reiste, heißt unter seiner Ägide nun «Der Restaurantretter». Das illustriert bereits die brenzlige Situation der Betriebe, in denen Raue kulinarischer Feuerwehrmann spielen soll. Fünf neue Folgen sind zu sehen.

Die Hilfesuchenden haben es allerdings auch nicht leicht mit Raue, der sich international einen Ruf als Spitzenkoch erarbeitet hat und schon daher - ohne Köln-Holweide zu nahe treten zu wollen - einen gewissen Kultur-Clash heraufbeschwört. 

Raue hat zudem wenig Angst, sich unbeliebt zu machen, sogenannten Tacheles zu reden («Wenn es Aufgaben zu verteilen gibt, dann mache ich das nicht in einem sozialen Stuhlkreis») und zackig zu urteilen. «Das ist von appetitlich weit weit entfernt», bescheinigt er Jörg kurz nach der Ankunft. Kurz darauf folgt schon die Diagnose. «Dem ist ganz viel über den Kopf gewachsen», sagt Raue über Jörg. «Er möchte aber keine Schwäche zeigen.»

Es gibt sie nur zu zweit

Unterstützt wird der Top-Koch erneut von seiner Frau Katharina, weshalb der Show-Titel eigentlich ein wenig irreführend ist. «In unserem Verständnis ist es nicht "der" Restaurantretter, sondern es sind "die" Restaurantretter», sagt Raue im Interview der Deutschen Presse-Agentur. «Uns gibt es nur zu zweit.» Das habe er RTL auch am Anfang so klargemacht. Die Rettungsmission sei für eine Person allein heutzutage auch viel zu komplex.

«Als Christian Rach sehr erfolgreich den "Restauranttester" machte, spielten Instagram und Facebook nahezu keine Rolle», erläutert Raue. Die Atmosphäre eines Restaurants habe keine so große Rolle gespielt. Das sei heute ganz anders. «15-Jährige haben heute einen ganz anderen ästhetischen Anspruch, wenn sie in ein Restaurant gehen.»

Ästhetik ist das Steckenpferd von Katharina Raue. Die ehemalige Chefredakteurin des Fachmagazins für Gastronomie und Hotellerie, «Rolling Pin», fungiert als Trend-Deuterin und Marketing-Spezialistin. «Ich sage immer: Ein Restaurant muss heute auch so aussehen, dass man sich gerne darin fotografieren lässt, um es danach auf Instagram zu stellen», sagt sie.

Tim Raue, die Lok auf zwei Beinen

Das, was sie in der Sendung anstoße, sei vergleichbar mit einem Friseur-Besuch, den eine Frau nach einer gescheiterten Beziehung antrete, sagt sie. «Wenn sich optisch etwas verändert, macht das viel mit dem Menschen. Man bekommt dadurch einen neuen Startpunkt.»

Allerdings hört das Aufgaben-Profil da nicht auf, was mit Tim Raues Art zu tun hat. «Ich bin die Axt im Wald. Ich bin wie ein Zug, der irgendwo durchfährt – und ich lege die Gleise vorher noch selbst», sagt er selbst. «Daher ist es gut, dass ich meine Frau an der Seite habe, die viele Dinge noch besser transportieren und auch übersetzen kann.» Sie pflichtet bei. «Tim glaubt, dass alle Menschen seine Geschwindigkeit teilen. Und da muss man ab und zu mal Bahnschranke spielen und sagen: Jetzt mal kurz durchatmen.» Das sei ihre Aufgabe.

Womöglich findet man so auch eine Lösung für die Buletten-Problematik. dpa

Tim Raue versteht nicht, warum Arbeit schlecht sein soll

Arbeit habe ihm den Aufstieg ermöglicht, sagt der Koch. Einen negativen Blick darauf, den junge Menschen offenbar hätten, kann er daher nicht nachvollziehen. Er rät zu Jobs in der Gastronomie.

Starkoch Tim Raue (50) schätzt den Wert von Arbeit - und hegt daher ein gewisses Unverständnis für jüngere Generationen. «Ich verstehe nicht, dass junge Menschen Arbeit heute offenbar als etwas Negatives betrachten», sagte Raue. Ihm selbst habe Arbeit ermöglicht, etwas im Leben zu werden und zum bürgerlichen Establishment zu gehören. 

In sich selbst investieren

«Ich finde es auch schwierig, wenn man es negativ bewertet, wenn jemand viel oder sehr viel arbeitet», ergänzte der Koch. «Wenn man sich weiterentwickeln will, muss man investieren – in sich selbst.» Zudem lebe man in einer Sozialgesellschaft. «Ich finde, dass wir alle etwas einzahlen müssen, ansonsten werden wir das Leben, das wir heute haben, nicht fortführen können», sagte Raue.

Um Arbeitszeiten, das Verhältnis von Arbeit und Privatleben und die Forderung nach einer Vier-Tage-Woche gibt es in Deutschland seit einiger Zeit eine Debatte. Vor allem der jüngeren Generation wird nachgesagt, dass sie mehr Wert auf Work-Life-Balance legt.

Schlange stehen für Schnitzel

Raue, der sich zu einem international angesehenen Spitzenkoch hochgearbeitet hat, sagte, er würde jungen Menschen weiterhin dazu raten, einen Job in der Gastronomie anzutreten. «Es ist ein unglaublich sozialer Beruf. Du bekommst immer ein sehr direktes Feedback von den Leuten. Wo gibt es das denn noch?», sagte er. «Wenn du ein geiles Schnitzel machst und es stehen 100 Leute Schlange: Das gibt dir etwas.»

Zudem biete die Gastronomie Möglichkeiten, durch Leistung aufzusteigen. Wer in Deutschland eine fundierte Ausbildung als Köchin oder Koch gemacht habe, könne Jobs auf der ganzen Welt bekommen. «Auch mit sehr guten Gehältern», erklärte Raue. «Wenn man Küchenchef in Dubai wird, kann man fünfstellig anfangen. Das sind unglaubliche Möglichkeiten.»

Der Spitzenkoch ist von Dienstag an (16. Juli, 20.15 Uhr, RTL) wieder regelmäßig als «Restaurantretter» zu sehen. Zusammen mit seiner Frau Katharina hilft er Gastronomen, ihren Betrieb wieder auf Vordermann zu bringen. dpa