Deutsches Weininstitut Wein im Wandel

Von Ira Schaible

Die Vermarktung alkoholfreier Weine und neuer pilzwiderstandsfähiger Rebsorten (Piwi) sowie die Positionierung deutscher Weine im Weltmarkt mit seinem Produktionsüberschuss: So beschreibt die Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts (DWI), Monika Reule, die Aufgaben im Jubiläumsjahr 2024.

Die Förderung der Qualität und des Absatzes mit wettbewerbsneutralem Marketing ist Aufgabe des DWI mit Sitz im rheinhessischen Bodenheim. Sein Vorläufer, die «Deutsche Weinwerbung», wurde im Spätsommer vor 75 Jahren gegründet. 

«Deutschland hat sich in den letzten 75 Jahren zweifellos zu einem der größten und bedeutendsten Weinmärkte der Welt entwickelt», stellt Professor Gergely Szolnoki von der Hochschule Geisenheim im Rheingau fest. Mit 13,7 Millionen Hektolitern sei Deutschland nach wie vor der weltweit größte Weinimporteur. Für die deutschen Erzeuger bringe dies eine Konkurrenzsituation, für die Verbraucher einen heterogenen Markt mit Weinen aus aller Welt.

Viele Weinbaunationen kämpfen auf dem deutschen Markt um Anteile 

«In keinem anderen Land kämpfen so viele verschiedene Weinbaunationen um Marktanteile», beschreibt Ernst Büscher vom DWI die Lage. «Von 100 Flaschen eingekauftem Wein kommen derzeit 58 aus dem Ausland.» Die Herstellungskosten für heimischen Wein steigen zugleich, die Verbraucher kauften aber preisbewusster und somit häufiger günstigeren ausländischen Wein. «Als im internationalen Vergleich kleine Weinbauregion können wir uns nur über Qualität und nicht über Mengen definieren», sagt Reule. Das war nicht immer so. 

Von teils «grausamen Jahrgängen», spricht Reules Vorgänger Franz Werner Michel in Erinnerung an die 1960er Jahre. Seither habe es eine unglaubliche Qualitätssteigerung gegeben, lobt der 91-Jährige. Vor allem seit den 1970/80er Jahren sei bei der Qualität ein bedeutender Wandel festzustellen. Rebsortenwahl, Ertragsreduzierung und neue Technologien hätten zur Qualitätsverbesserung beigetragen.

Schwimmbecken und Eisenbahn-Waggons voller Wein

1960 war die Ernte mit 7,4 Millionen Hektolitern Most so riesig, dass sogar Schwimmbäder zeitweise als Weintanks genutzt wurden, wie Michel im Podcast des DWI zum Jubiläum berichtet. «Die Preise fielen in den Keller, die Not der heimischen Winzerinnen und Winzer wurde immer größer», ergänzt Büscher. 1962 wurde ein Stabilisierungsfonds für den Wein gegründet, um die stark schwankenden Erträge auszugleichen. 

Nach zwei noch größeren Ernten 1982 und 1983 (mit 15 und 13 Millionen Hektolitern) kamen zu den Schwimmbecken noch gemietete Eisenbahn-Waggons dazu, die auf Abstellgleisen in Rheinhessen geparkt und bewacht wurden. Die Preise stürzten ab. 

Liebfrauenmilch war lange ein Export-Schlager

Die Liebfrauenmilch - eine liebliche Weißweincuvée benannt nach den Weinbergen an der Wormser Liebfrauenkirche - war sehr lange die beliebteste Marke im Ausland. 1994 machte sie in der Spitze 53 Prozent der deutschen Weinausfuhren aus, wie Büscher sagt. «Wir wurden mit cheap und sweet - süß und billig - assoziiert», sagt Reule.

Mitte der 1980er Jahre erschütterte der Glykol-Skandal die deutsche Weinwirtschaft. Österreichische, mit dem Frostschutzmittel versetzte Weine wurden von einem Handelsunternehmen mit deutschen Weinen verschnitten, erinnert das DWI. Die Folge: Das Vertrauen in deutschen Wein sank rapide - und Ex-Kanzler Helmut Kohl (CDU) warb für die Tropfen aus Deutschland. 

Nach dem Glykol-Skandal wurde trockener Wein immer beliebter

Der Skandal befeuerte auch den Trend zu trockenen Weinen, sie wurden in den 1990er Jahren immer beliebter: «Weil in Österreich ausschließlich liebliche Weine mit Glykol versetzt wurden, sind die Verbraucher auf den Konsum trockener Weine umgestiegen», erläutert Reule. Inzwischen seien mehr als die Hälfte der deutschen Tropfen trocken. Riesling wurde die Leitrebsorte, dazu kamen der Spät- und dann auch Weiß- und Grauburgunder. Die Generation Riesling sei inzwischen ein Erfolgsrezept und der deutsche Spätburgunder stehe im Preis-Leistungs-Verhältnis international gut da. 

Mit der Wiedervereinigung kamen die kleineren Anbaugebiete Saale-Unstrut und Sachsen dazu, aus 11 wurden 13. «Die Rebfläche hat sich seit 1948 verdoppelt», sagt Szolnoki. Inzwischen sind es fast 103.000 Hektar. Damit gehöre Deutschland international aber immer noch zu den kleinen Weinbaunationen, sagt Reule. Spanien etwa habe rund das Zehnfache der Anbaufläche. Die globalen Weinflächen sollten ihrer Ansicht nach nicht mehr ausgeweitet werden. Denn inzwischen werde weltweit mehr Wein produziert als getrunken. 

Klimawandel macht den Winzern zu schaffen 

Der Klimawandel sei den Winzern und der Weinwirtschaft erstmals so richtig mit dem Supersommer 2003 und seiner großen Erntequalität bewusst geworden, berichtet Reule. Früher habe es häufiger wetterbedingt Missernten gegeben oder Trauben seien nicht richtig reif geworden. «Das ist in den letzten 20, 25 Jahren nicht mehr vorgekommen.»

Die Folgen stellen die Winzer zugleich vor große Herausforderungen, weil die Extremwetterlagen Hitze, Hagel, Trockenheit und Spätfröste zunehmen und auch häufiger länger anhalten. Neue, gegen Pilzkrankheiten besonders widerstandsfähige Rebsorten, die sogenannten Piwi-Weine, legen seither zu. Sie machten aber erst rund drei Prozent der Rebfläche aus, sagt Szolnoki. Die nachhaltige Transformation des Weinsektors ist nach seiner Auffassung das Schlüsselelement der zukünftigen Entwicklung. 

Deutschland bei alkoholfreien Weinen mit vorn 

Das DWI will künftig Piwis wie Cabernet Blanc, Souvignier Gris und Sauvignac sowie alkohlfreie und alkohlreduzierte Weine und Sekte stärker bewerben. Deutschland gehöre bei den entalkoholisierten Weinen zu den aktivsten Erzeugerländern, sagt Szolnoki. «Die jungen Menschen trinken weniger Alkohol», stellt Reule fest. Und viele ältere Menschen dürften aus gesundheitlichen Gründen keinen Alkohol mehr trinken. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät neuerdings dazu, gar keinen Alkohol mehr zu trinken. 

Ob mit oder ohne Alkohol: Der Pro-Kopf-Verbrauch von Wein geht Büscher zufolge zurück, von 20 bis 21 Litern viele Jahre bis zur Jahrtausendwende auf 19,2 Liter im vergangenen Jahr. dpa